Erstaunliches aus Arahuay.

Este Erfahrungen mit dem OLPC in den Bergen Perus. Englisches Original ( Übersetzt von Niklaus Giger, Mollis, Schweiz   7. März 2008.)

6. März 2008, 10 Uhr 32

(Bild: Übersetzer Carla Palomino, OLPC Präsident Walter Bender, Perus technischer Leiter Hernàn Pachas, und Brightstar OLPC Leiter Edgar Ceballos versuchen mich zu überzeugen, dass ihre Karte nicht lustig ist.)

Ich bin soeben von einem aufreibenden dreiwöchigen Aufenthalt in Peru zurückgekommen. Dort arbeitete ich mit dem seriösen Team des Erziehungsministerium zusammen, dem das landesweite Projekt für 260'000 OLPC-Laptop anvertraut wurde.

Wir gingen jeden Aspekt der Auslieferungsplanung durch, sowohl das Technische als auch das Organisatorische, vom Moment, wo die Laptop-Lieferung Lima erreicht, bis die einzelnen Laptops in die Hände von 40 Tausend Kinder in den ersten 569 an diesem Programm teilnehmenden Schulen gelangen.

Nachdem ich das Bat Signal leuchten liess, flog der unnachahmliche Walter Bender zu uns und übernahm schnell die organisatorischen und erzieherischen Diskussionen. Somit konnte ich mir die Zähne ausbeissen, um die verbleibenden technischen Auslieferungsprobleme zu lösen. Notiz für mich selbst: Es ist angenehm, mit hyper kompetenten Leuten zu arbeiten.

Zwischen dem Programmieren eines Kunden spezifischen Inventarsystems für Perus Gebrauch (Bitte keine weiteren Fragen) und Diskussionen über ihre Bedürfnisse zur Sicherheit der Auslieferung nahm ich mir einen freien Tag um Arahuay, ein heimeliges Dörfchen in den Bergen, zu besichtigen, das für zwei Sachen berühmt ist: sein Mitmachen am 8-monatigen OLCP Pilotprojekt von Peru und dafür, fast zum Ort meines endgültigen Ablebens beim Installieren eines Satelliten-Terminals an einem gefährlichen Ort zu werden.

OLPC's unermüdliche Carla Gomez-Monroy schrieb ausführlich über den Start von Arahuay Pilotprojekt im letzten Juni. Sie eröffnete einen breit publizierten Bericht von Associated Press im Dezember mit folgenden kraftvollen Worten:

Zweifel darüber, ob arme Kinder in ländlichen Gebieten wirklich von komischen kleinen Computern profitieren können, verschwinden so schnell wie der Morgennebel in diesem Andendorf, wo 50 Primarschulkinder vor 6 Monaten Maschinen vom "One Laptop Per Child"-Projekt (Einen tragbaren Computer pro Kind) erhalten haben.

Trotz Sommerferien und verdammt gefährlichen Bergstrassen dachte ich mir, dass es lohnend sein könnte, mit eigenen Augen die Schule zu sehen und mit den Lehrern zu sprechen.

Wir fuhren etwa vier Stunden. Die Landschaft wechselte zwischen unfruchtbarem Ödland und saftig grünen Bergflanken.

Ich täuschte mich nicht über den Lohn der Mühe.

Hintergrund
Letztes Jahr besuchten 48 Kinder die Primarschule in Arahuay. Carla sprach von 46, weil 2 erst hinzukamen, als das OLPC-Pilotprojekt angekündigt war. Somit umfaste das Projekt 100% der Dorfkinder. Weitere 50 Kinder des etwa 800 Einwohner zählenden Dorfes besuchen die Oberstufe und etwa 100 Kinder sind im Kindergarten.

Die Schule von Arahuay hat 16 Lehrer, davon drei für die Primarschule, jeweils für 2 Klassen. Von den dreizehn Oberstufenlehrern geben neun verschiedene Fächer und vier springen dort ein, wo es notwendig ist. Die 10 Oberstufenklassen haben folgende Fächer: Mathematik (bis zu einer Einführung in Funktionen und Geometrie), Kommunikation, Soziales (vor allem Geschichte), Person und Familie (Benehmensregeln in und ausserhalb der Familie, Rechte der Kinder und Verantwortung der Familie gegenüber), Kunst, Sport, Fremdsprache, organisiertes Lernen (wie man am besten die Hausaufgaben macht), Werkunterricht (z.B. wie man Schuhe und Leder herstellt) sowie Naturkunde (Biologie, Chemie, Ökologie und Physik, alle auf elementarem Niveau). Um in Peru Lehrer zu werden, muss man entweder eine Prüfung bestehen oder eine Doktorarbeit geschrieben haben. Für beides muss man ein 5 Jahresprogramm an einer Universität oder einem Institut durchlaufen.

Der frühere Leiter der Schule von Arahuay, Guilermo Lazo Navarro und die amtierende Leiterin, Patricia Peña Cornejo, habe sich liebenswürdigerweise Zeit genommen, um mich zu treffen.

Ich wollte wissen, was die Laptops den Kinder gebracht haben. Ich erklärte Ihnen, dass ich weder ein Reporter sei noch dem Erziehungsministerium Fragen beantworten würde und - was eine wichtiger Punkt in einem überpolitisierten Land wie Peru ist - dass ich mich nicht mit politischem Scheissdreck abgeben wolle. Ich wolle nur wissen, ob die Laptops nützlich seien.

(Bild: das Dorf Arahuay.)

Nachdem sie mich während gut einer halben Minute angestarrt hatten, schoss Señor Navarro mit einem "evidentemente" (natürlich) zurück und verschluckte ein (Du Idiot) am Ende seines Satzes. Ich schätzte diese kleine Höflichkeit und formulierte eine präzisere Frage: Was hat sich in den 8 Monaten verändert, seit dem die Laptops angekommen sind?

Drei Veränderungen
Herr Navarro und Frau Cornejo unterhielten sich während einiger Minuten. Danach sagte Herr Navarro, sie seien zum Schluss gekommen, dass es vor allem drei Veränderungen gegeben habe.

Da es nur wenige Strassen in und um Arahuay gibt, kommunizieren die Kinder ausserhalb der Schule nicht viel mit irgend jemanden. Mehrere Lehrer machten unabhängig voneinander Herrn Navarro auf folgende Änderung aufmerksam, seitdem die Laptops gekommen seien begannen die Kinder ausserhalb der Schulstunden über das Maschennetz miteinander zu sprechen. Sie fingen an während der Schule mehr miteinander zu arbeiten. Sie fingen an viel mehr miteinander von Angesicht zu Angesicht zu sprechen und ihre vorherige lähmende Angst vor Fremden zu überwinden.

Das Zweite ist, sprang Frau Cornejo ein, dass die Kinder sehr eigennützig gewesen waren, eine nicht überraschende Folge der extremen Armut in grossen Teilen Perus. Nicht dass die Kinder Hunger leiden würden, es ist nur so, dass sie nicht viel haben und dass sie das, was sie haben, nicht gerne miteinander teilen. Mit den Laptops mussten die Kinder aufeinander zugehen und voneinander zu lernen, wie man ihn benutzen kann. Sie begriffen, dass es leicht ist, Bilder und Dinge, die sie geschrieben hatten, einander zuzuschicken. Dies wurde zur Gewohnheit. Das Teilen, bekräftigte Frau Cornejo, breitete sich in die echte Welt aus und vormals eifrig behütete persönliche Gegenstände wurden mehr und mehr zwischen den Kindern herumgegeben, auch wenn sie dies manchmal nervös taten.

(Bild: Aussenansicht der Schule von Arahuay.)

"Zum Schluss" eröffnete Mr Navarro und zögerte. Er schaute mich lange an, offensichtlich unsicher ob er weiterfahren sollte. Ich holte mein bestes Lächeln hervor und bekräftigte ihm darin, dass genau das, was er nur zögerlich herausrücken wolle, für mich das Wichtigste sei. Er räuspert sich und erläuterte leise, fast verschwörerisch, obwohl wir in einem leeren Raum im Gemeindehaus sassen, dass er anfangs überzeugt gewesen sei, dass das Projekt scheitern werde.

"Die Eltern der Kinder schäumten vor Wut, als diese die Laptops in ihre Hände bekamen, weil die Kinder nicht mehr länger den ganzen Tag auf den Feldern helfen wollten" fuhr er fort".

Herr Navarro spricht in langsamen, wohl abgemessenen Sätzen. Er ist vorausdenkend und zuversichtlich, beides Zeichen - neben seinem wettergegerbten Gesicht -, dass er viele Jahre vor allem Lehrer gewesen ist.

"Ich wusste nicht, wie wir dir Eltern vom Aufstand und vom Zwingen ihre Kinder zum Zurückgegeben der XO-Laptops abhalten konnten" sagte er und schüttelte leicht seinen Kopf. "Die Kinder haben diesen Zwiespalt für mich gelöst: Sie haben ihren Eltern gezeigt, wie man das Internet und eine Suchmaschine nutzen kann."

"Dann begannen die Kinder ihnen die Arbeiten, die sie für die Schule machten, zu zeigen: die geschriebenen Aufsätze, die geschossenen Fotos, die gemachten Notizen. Die Eltern hatten den Beweis, dass ihre Kinder wirklich etwas lernten.", schloss er.

(Bild: Schulraum von Arahuay. Kabel und Satellitenanschluss im Hintergrund sichtbar, wegen den Sommerferien abgehängt.)

Die Eltern, so hörte ich später, entschieden, dass eine Ausbildung ihren Kinder den Zustand beenden würde, dass sie keine Möglichkeit haben, als auf dem Feld zu arbeiten wie sie es immer getan hatten. Mit den Laptops war die Schule kein schwarzes Loch mehr, an dessen Wirksamkeit man glauben musste: die Kinder konnten beweisen, dass sie lernten. Die Schule wurde eine offene Quelle ("open source" -> freie Software auf englisch, Anm. des Übersetzers) Die Eltern begannen die Kinder nur dann helfen zu lassen, wenn es nötig war und liessen sie den Rest der Zeit auf ihrem XO lesen und schreiben.

Ich fragte Frau Cornejo über das Unterrichtsmaterial. Wo kam es her? War es brauchbar?

"Am Anfang des Jahre benutzten unsere Lehrer nur das vom Ministerium vorgegebene Material. Mit den Laptops begannen sie, selber auf dem Web nachzuforschen, detaillierte Pläne für Schulstunden vorzubereiten und sogar die Kinder zur Hilfe einzuspannen. Wir haben noch nie so etwas gesehen.", sagte sie. Ich fragte nach Einzelheiten.

"Wir geben eine Lektion über den Verdauungstrakt, aber alles ist mündlich, ohne visuelle Hilfsmittel. Nun, die Lehrer schauten, dass die Kinder nach Bildern des gastro-intestinalen Systems suchten. Dann arbeiteten sie zusammen und verarbeiteten alles in Lektionen, die gehalten wurden.", führte sie aus.

Die schlechten Seiten
Alles was ich bis jetzt gehört hatte war überwältigend enthusiastisch und positiv. Ich wollte hören, was nicht läuft. Was gibt es Schlechtes über die Laptops? Die Idee?

"Die Kinder wollen eine Aktivität (ein Programm) um Englisch zu lernen, aber es gibt keine auf dem Laptop" antwortet Herr Navarro. "Die obersten zwei Klassen benutzen alle ein Online-Wörterbuch, aber die Internet-Verbindung wird bei so vielen Benutzern langsam. Es wäre schön, wenn das Wörterbuch direkt auf dem XO vorhanden wäre. Und eine Mind Map ( Gedankenkarte) wäre schön" träumt eine junge Lehrerin die Gedankenkarten häufig während ihrer Ausbildung benutzte.

Sowohl Frau Cornejo als auch Herr Navarro dachten, dass der XO existierende Disziplinarprobleme in der Schule verschärfen würde. Ein Studen, dessen Namen ich nicht verrate, verwickelte häufig andere in Kämpfe und sprach oder spielte auch nicht mit seinen Klassenkameraden. Normalerweise sass er allein in einer Ecke des Schulzimmers. Die Vorsteher sahen voraus, dass der XO ihn noch mehr isolieren würde. Sie waren total überrascht, als er das erste Kind wurde, welches den Laptop beherrschte und dann begann, die andern Kinder zu unterrichten, welche sich um ihn scharten.

Wir erzählen keine Gutmenschen-Geschichten oder Märchen.", beantwortete Herr Navarro meinen unausgesprochenen Skeptizismus. "Es ist halt so passiert. Genau so ist es."

Mehrere Stunden später fuhr ich nach Lima zurück, erstaunt darüber, was ich gehört und gesehen hatte.

Ich schreibe keine Gutmenschen-Geschichten, keine Märchen. Genau so ist es.

(Sonnenuntergang an der Küste in der Nähe von Lima)